Der letzte in Lübbecke tätige jüdische Lehrer und Kantor, Max Lazarus, trat seinen Dienst in der Lübbecker Gemeinde im Jahr 1892 an und blieb hier, bis er 1939 mit seiner Frau nach Palästina auswanderte. In seinen Aufzeichnungen „Erinnerungen“ (s. 16 f) schreibt Lazarus:
Die Gemeinde besitzt zwei Friedhöfe, einen neueren neben dem großen städtischen und einen älteren in der Feldmark, eine halbe Stunde von der Stadt.
Ein hochbetagter Herr in der Gemeinde erzählte mir, dass nach mündlicher Überlieferung der Gemeindeväter in der Nähe des alten Friedhofs ein noch älterer sich befunden habe, von welchem die Verstorbenen auf den zweitältesten überführt wurden, vielleicht des Grundwassers wegen. Auf dem zweitältesten Friedhof, seither immer noch der „alte Friedhof“ genannt, konnte ich die Jahreszahl der hebräischen Grabinschriften bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts feststellen. Ein neben dem Friedhof wohnender Landwirt hält denselben auf Kosten der Gemeinde in Ordnung.
Den neuen Friedhof , am Fuße des Gebirges neben dem christlichen gelegen, umgibt eine hohe Hecke, die ein schmiedeeisernes Tor abschließt. Wer den Friedhof betritt, ist überrascht von seiner Größe, von seinem würdigen Aussehen, von den aufs beste gepflegten Familiengrabstätten, den breiten, sauberen Wegen, dem großen Rasenplatz, den Zypressen und anderen hohen Bäumen, die die Gräber beschatten und schützen. Am oberen Ende des Rasenplatzes erblickt man ein rundes steinernes Wasserbecken, aus dem die Angehörigen der hier ruhenden Wasser entnehmen zur Erfrischung der Buchsbaumeinfassungen an den Gräbern. Den Familien obliegt die Pflege der Gräber, der Friedhofswärter hält für Fernwohnende die Grabstätten ihrer Verwandten in Ordnung.
Max Lazarus“Erinnerungen“ Documenta Judaica Bd.I
Beide Friedhöfe sind erhalten. Mit dem Erlöschen der jüdischen Gemeinde finden keine Beisetzungen mehr statt.
Grabstellen
Bis ins 20. Jhd. hinein handelten jüdische Kaufleute vor allem mit Manufakturwaren, Leinen, Bettzeug, Stoffen und Kleidung, Trachten und Brautausstattungen.
Familien Hecht und Ruben waren in der Kaiserzeit von einfachen Textilienhändlern zu bedeutenden Kleiderfabrikanten aufgestiegen und angesehene Arbeitgeber in der Stadt. Ihr gesellschaftliches Ansehen spiegelt sich in den Grabmälern wider, die den christlichen in nichts nachstanden. Man fühlte sich zum Großbürgertum zugehörig.
Jacob Schapiro
jüdisch-russischer Kriegsgefangener
Er verstarb 1918 an einer schweren Lungenentzündung. Der Grabstein wurde von der Gemeinde gestiftet, die Inschrift ist in deutsch und kyrillisch.
Familiengrab Weinberg
Davor Gedenktafel Martha Weinberg
Weinbergs hatten ein Textilgeschäft. Ihre Tochter Lore führte die Todeslisten in Auschwitz und erfuhr dort vom Tod ihrer Mutter. Sie überlebte das KZ und verheiratete sich in den USA.
Abraham Goldschmidt
1872
Grabstein Leeser
Lehrer- und Arztfamilie
Der Stein wurde dem Lehrer Heimann Leeser von der jüdischen Gemeinde für die Verdienste um die Synagogen-Gemeinde gewidmet.
Ludwig Ruben
1924
Kleiderfabrikant. Großer Stein mit Opferschale
Familiengrab Mergentheim
Familiengrabstelle
Die Familie betrieb über mehrere Generationen ein Geschäft für Manufak-turwaren. Frau Dina Mergentheim war Mitglied im evangelischen Kirchenchor.
Sigmund Wolff
1872
Sophie Hecht
Erstes Begräbnis auf dem Friedhof
Wie aus den Jahreszahlen zu erkennen ist, verstarb Sophie als junge Frau. Mit ihrem Begräbnis ist der neue jüdische Friedhof eröffnet worden.